Der Lindwurm Verlag ist im Besitz eines einzigartigen, magischen Artefakts, das es Lesern ermöglicht völlig in eine Geschichte einzutauchen, Teil eines Buches zu werden: die DRACHENKLINGE. Nachdem bereits einige andere Bloggerinnen das Vergnügen hatten, ist die Drachenklinge nun bei mir angelangt. Ich habe die Gelegenheit genutzt und Kronprinz Siluren nach der Schlacht in Bethelgard einige Fragen gestellt...
Sie war seltsam, diese Mischung aus Erschöpfung und aufgedrehter Wachheit. Noch immer wirbelten Erinnerungen an den Kampf in Silurens Geist: Das glatte Gefühl des ledernen Schwertgriffes in seiner Hand, der Schlick des Kanals unter seinen Füßen, der Geschmack von Blut auf der Zunge, der rauschende Triumph bei der Flucht der Feinde. All das brodelte in ihm wie in einem Kessel.
Gleichzeitig konnte er auf dem Weg in sein Gemach kaum die Füße voreinander setzen, obgleich Leron ihn schon von der Rüstung befreit hatte. Sein ganzer Körper schmerzte. Nicht von Hieben, die er im Handgemenge abbekommen haben mochte, sondern von der Last der Rüstung und vom übermäßigen Gebraucht der Muskeln. Er hätte wohl doch Coridans Rat zu regelmäßigeren Schwertübungen folgen sollen. Wie sollte er nur die Siegesfeier am Abend durchstehen?
Doch als er endlich den Raum betrat, den er im Rathaus von Bethelgard bewohnte, stellte er fest, dass gute Seelen bereits vorausgeplant hatten. Zwischen dem Bett mit dem beeindruckenden Baldachin und dem knisternden Kaminfeuer, dampfte eine Wanne mit warmem Wasser. Eine junge Frau tat letzte Handgriffe, wandte sie sich zu ihm um und knickste. »Es ist alles bereit, Eure Hoheit.«
Blondes Haar umrahmte ein freundliches Gesicht mit geröteten Wangen. Sie war keine der drei Ratsmägde. Wie sie dastand, mit einem Tuch über dem Arm und einer grünen Phiole in der Hand, war sie wohl die Baderin.
»Dich schickt die Göttin selbst«, sagte er und begann, sich die Jacke aufzuknöpfen. »Dich und diese Wanne. Wie ist dein Name?«
»Meike, Eure Hoheit.« Sie legte Tuch und Phiole zur Seite und half ihm aus den verschwitzten, und ja, auch blutigen Sachen. Mit jeder Schicht legte er ein Stück mehr von dem Schmutz und dem Schmerz der Schlacht ab, und als er sich endlich mit einem Seufzen in das warme Wasser gleiten ließ, hatte er tatsächlich das Gefühl, ein Stück zu sich selbst zurückgefunden zu haben.
Meike ließ grünes Öl ins Wasser laufen, und der Duft von Fichtennadeln verteilte sich mit dem Wasserdampf im Raum. Dann setzte sie sich auf einen Schemel neben ihn und nahm sachte seinen Arm. Während sie mit sanften und zugleich kräftigen Strichen die Seife darüber verteilte und dann die müden Muskeln massierte, sagte sie: »Wir alle sind Euch sehr dankbar, Eure Hoheit. Eure Klugheit hat uns alle gerettet.«
»Hm.« Der duftende Nebel schien auch seinen Geist zu füllen und machte die Erschöpfung zu etwas Angenehmem. Er schloss die Augen und ergab sich ganz ihren fachkundigen Händen.
»Aber ich wüsste gerne«, ihre Stimme drang sachte zu ihm durch, »Hand auf´s Herz: wie sehr habt Ihr an das Gelingen Eurer List mit den Fässern geglaubt?«
Mit geschlossenen Augen lächelte er bei der Erinnerung daran, wie gut der Plan aufgegangen war. »Kaum«, gab er zu. »Es war eine Verzweiflungstat. Aber wir hatten ja keine Wahl. Innerlich habe ich die ganze Zeit zur Göttin gefleht.« Er hatte den Überzeugten spielen müssen, um den anderen Mut zu machen, aber vermutlich hatte er weder Kira noch Leron täuschen können.
»Ich hörte, ihr seid zuvor bei Albuin dem Weisen gewesen, doch ich weiß, dass sein Geist vom Alter verwirrt ist.« Ihre kräftigen Finger fanden eine Verhärtung an seinem Oberarm, ein angenehmer Schmerz. »Wart Ihr sehr enttäuscht? Oder konnte Albuin Euch dennoch inspirieren?«
»Inspirieren?« murmelte er und ließ sich das Wort durch den Kopf gehen. »Früher, ja. Als ich ein Knabe war, da haben seine Schriften und Briefe mir eine neue Welt eröffnet. Dennoch sprach er in seinen Briefen mit mir wie mit einem Ebenbürtigen. Nicht als Schulmeister, ohne Herablassung. Aber als ich gestern zu ihm ging, da wusste ich, dass sein Geist nicht mehr der alte ist.« Er dachte an die Stunde, die er mit dem Alten Mann in dem schmalen Haus zusammengesessen hatte, und fügte leise an: »Nicht zur Inspiration bin ich zu ihm gegangen. Ich wollte ihm etwas zurückgeben für all das Gute, das ich von ihm empfing. Und die Göttin hat es gefügt, dass ich das tatsächlich konnte. Für die Dauer eines Gespräches sind die alten Gedanken in seinem Verstand noch einmal aufgeglüht, die letzten Aschefetzen eines einstmals großen Feuers. Dafür bin ich sehr dankbar.«
Meike ließ seinen Arm ins warme Wasser gleiten. Mit einem Schwamm wusch sie die Seife von seiner Schulter, dann hörte er, wie sie den Schemel aufnahm und zur anderen Seite hinüberging, um sich dem anderen Arm zu widmen.
»Euer Page, der Euch begleitete«, sagte sie. »Ich glaube, er ist eine Frau, kann das sein?«
Wieder lächelte er mit geschlossenen Augen. »Kira«, murmelte er und dachte an ihr Versprechen. Oh, er musste dafür sorgen, dass er zu Kräften kam, denn wenn sie heute Abend wirklich zu ihm kam, wollte er sie nicht enttäuschen.
Meike fuhr fort: »Sie kleidet sich nicht nur wie ein Mann, sondern wie ein Oneräer. Denkt Ihr nicht, sie könnte eine Gefahr sein?«
»Oh doch.« Sie war gefährlich. Mit dem Rapier war sie flink, sogar Leron überlegen. Ihm erst recht. Sie hatte das Gefecht viel kaltblütiger hinter sich gelassen als er.
Und doch sah er in ihren Augen immer wieder so viel Verletzlichkeit. Etwas, das sie sich selbst nicht zugestand. Wie gern wollte er ihr einen Raum schaffen, in dem sie sich sicher fühlte. In dem sie diese Verletzlichkeit zulassen konnte.
Meike unterbrach sein Schweigen. »Glaubt Ihr nicht, Sie könnte eine Spionin sein? Dass sie Euch gefährlich werden könnte?«
»Spione«, sagte er langsam, »können immer in beide Richtungen genutzt werden.« Das zumindest sagte Shin Fu. »Vielleicht ist ihre Verbindung zu Krolan auch eine Chance.«
»Ihr vertraut Ihr?«
»Mein Herz vertraut ihr. Mein Verstand …« Er lächelte. »Es gibt Dinge, die den Krieg betreffen, die ich ihr vorenthalte. Das weiß sie auch. Und es ist in Ordnung.«
Sie erhob sich. »Rücken?«, fragte sie.
Mit einem Stöhnen beugte er sich vor. »Ich bewundere Coridan mehr denn je.«
»Euren Bruder?« Sie bearbeitete eine Stelle, die sich wie ein Knoten auf seinem Schulterblatt anfühlte.
»Er hat Schlachten geschlagen, die über mehrere Tage gingen. Ich weiß nicht, wie er das durchgestanden hat.«
»Ihr hättet ihn jetzt sicherlich gerne an Eurer Seite.«
»Bei der Göttin, nichts wünschte ich mir mehr. Ich stümpere hier herum, während er die Akh’Eldash begleitet. Wäre er hier, wäre der Krieg schon so gut wie gewonnen, und ich könnte mich meinen Büchern widmen.«
»Als König werdet Ihr vermutlich nicht mehr viel Zeit für Bücher haben.«
»Das befürchte ich auch.«
Ihre Hände stockten. »Habt Ihr jemals überlegt«, sagte sie langsam, »Coridan einfach darum zu bitten, den Schleier der Akh’Eldash zu lüften, sie zu heiraten und an Eurer statt König zu werden?«
Vielleicht war es das warme Wasser und der Duft der Fichtennadeln, die seine Zunge lösten, oder vielleicht das Vertrauen, das man jedem Arzt oder Bader entgegenbringt. Langsam sagte er: »Daran habe ich mehr als einmal gedacht. Vielleicht würde er sich sogar überreden lassen, um meinetwillen. Aber es wäre nicht redlich. Ich würde ihn zum Verrat auffordern, und das … ich glaube, es würde ihn zerstören.«
»Weil er loyal ist.«
»Er ist vermutlich der einzige im Reich, der das alte Ideal eines Ritters noch ernst nimmt.«
Daraufhin sagte sie nichts. Für eine Weile war nur das Knistern des Feuers und das leise Rascheln ihres Kleides zu hören. Ihre warmen Finger lösten den Schmerz in seinen Schultern. Langsam sank sein Kopf nach vorne. Er schreckte hoch.
»Ich denke«, sagte Meike, »ich sollte Euch ins Bett packen.« Sie stand auf und hielt das entfaltete Trockentuch auffordernd in die Höhe. »Nach einem Stündchen Schlaf, werdet Ihr ausgeruht sein für die Feier heute Abend.«
Und für Kira, dachte er, und lächelte wieder.
Vielen lieben Dank, Esther, dass Du an meinen Fragen nicht gänzlich verzweifelt bist, sondern stattdessen diese wunderbare Szene daraus gemacht hast.
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