Mitte Mai habe ich Euch "Tod in Rimini", den zweiten Band der Paolo-Ritter-Reihe, von Dani Scarpa vorgestellt. Sein Ermittler mit dem episodischen Gedächtnis ist inzwischen in Cervia heimisch geworden und steckt in der ausufernden Sanierung des von seinem Bruder geerbten Hotels fest. Und da er seinem Architekten dabei hilflos ausgeliefert ist, lässt er sich nur zu gern von einem neuen Fall ablenken ...
Ich hatte jetzt die Chance, Dani Scarpa zu interviewen und gehofft, ihm einen winzigen Tipp zur Enttarnung seines Pseudonyms zu entlocken, aber leider bin ich daran gescheitert - obwohl, er war mal Journalist. Klingelt da vielleicht bei Euch was? Ich bin für jeden Hinweis dankbar. Jetzt aber erst mal gute Unterhaltung!
Hallo Herr Scarpa, Sie schreiben
ja unter einem Pseudonymen und wir wissen nicht viel von Ihnen, mit
welchen 5 Worten würden Sie sich beschreiben?
Das wären wahrscheinlich auf den ersten Blick so widersprüchlich
anmutende Begriffe wie gesellig und anderen Menschen zugewandt, aber ich
kenne auch Phasen, in denen ich eher still und nachdenklich bin.
Loyalität ist auch so ein Wort, das mir in den Sinn kommt -
Freundschaften sind mir wirklich wichtig.
Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Seit wann schreiben Sie und was war das erste, veröffentlichte oder
unveröffentlichte Projekt?
Die Liebe zum Schreiben habe ich
schon in der Schulzeit entdeckt, die Ambition, daraus etwas zu machen,
kam allerdings erst später. Meine ersten Schreibversuche habe ich in den
frühen Zwanzigern absolviert - meinen Zwanzigern wohlgemerkt, nicht
denen des letzten Jahrhunderts. Das waren vor allem Kurzgeschichten, die
ich versucht habe, an verschiedene Magazine zu verkaufen. Leider mit
recht mäßigem Erfolg ... der Journalismus war mir zunächst ein wichtiges
Standbein.
Ihre Krimis spielen ja in der Region
Emilia-Romagna, warum gerade dort? Haben Sie einen persönlichen Bezug
dazu? Lebt vielleicht Ihre Familie dort oder machen Sie dort immer
Urlaub?
Die Region liegt mir aus
verschiedenen Gründen besonders am Herzen. Zum einen lebt tatsächlich
ein Teil meiner Familie dort und ich habe dort auch Freunde. Aber es ist
auch eine sowohl kulturell wie landschaftlich reizvolle Gegend, die
viel Inspiration für Geschichten liefert.
Der erste Band Ihrer Reihe spielt vor
dem Hintergrund eines Raubkunst-Falls, im zweiten spielt klassische
Musik eine Rolle - können Sie schon verraten, um was es im hoffentlich
nächsten Band geht?
Tatsächlich arbeite ich gerade am
dritten Band und breche in den nächsten Tagen wieder zur Vor-Ort-Recherche auf. Diesmal ist es ein sehr persönlicher Fall, um den
sich Paolo Ritter kümmern muss. Und das - sozusagen - im wörtlichen
Sinn. Okay, das klingt jetzt ziemlich rätselhaft ... auf jeden Fall gibt
es ein Wiedersehen mit vielen alten Bekannten. Ein bestimmter
Kulturaspekt spielt auch wieder eine wichtige Rolle.
Wie lange dauert es von der ersten
Idee zu bis zum fertigen Buch? Und haben Sie gleich mehrere Bände
vorgeplant? Plotten Sie oder schreibst Sie frei?
Da sprechen wir über einen Zeitraum
von ungefähr eineinhalb Jahren. Es beginnt meist mit einer noch eher
vagen Grundidee, oft auch mit mehreren, die ich anfangs noch alle mit
derselben Energie verfolge, bis sich dann eine oder zwei Ideen
herauskristallisieren, die ich weiter vertiefe. Zur Krimihandlung kommt
bei Paolo Ritters Fällen ja dann stets noch die persönliche Ebene - die
beiden miteinander zu verflechten, macht immer sehr viel Freude, ist
aber auch ein längerer Prozess. Am Ende dieses Prozesses steht dann ein
schon ziemlich vollständiger Plot, der durch Recherche vor Ort aber noch
verändert und ergänzt werden kann. Erst danach geht es dann ans
Ausarbeiten des Romans, was auch schon mal in einer Kaffeebar geschieht,
um möglichst viel von dieser speziellen Atmosphäre einzufangen, die es
so wohl nur in Italien und besonders in der Emilia-Romagna gibt.
Was ist zuerst da - die Idee zum
Fall, die genau Region, in der er spielt, oder das regionale Rezept, das
dann auch am Ende des Buches zum Nachkochen einlädt (und bisher immer
sehr lecker war)?
Sie haben es nachgekocht? Das freut
mich! Tatsächlich ist mir dieses Zusammenspiel aller Sinne sehr wichtig -
ein spezielles Gericht, ein bestimmter Geschmack kann beim Eintauchen
in bestimmte Geschichten und Situationen ja wirklich helfen. In der Tat
betätige ich mich auch gerne als Hobbykoch, und ein wenig davon spiegelt
sich in den Geschichten wider, zumal die Emilia-Romagna diejenige
Region ist, aus der wohl die meisten der in Deutschland als "typisch
italienisch" bekannten Gerichte stammen - die Pasta Bolognese zum
Beispiel. Es ist aber nicht so, dass sich die Geschichte um die Rezepte
herum entwickelt. Es fängt meist mit dem Fall an und der Stadt oder
Gegend, in der die Geschichte spielen soll - alles andere entwickelt
sich drumherum.
Ihr Ermittler Paolo Ritter ist ja
kein einfacher Mensch, sondern erinnert von seiner eckigen Art her und
seiner Macke des Händedesinfizierens (die er langsam zu überwinden
scheint) an den Fernseh-Privatdetektiv Monk. Er hat auch ein
episodisches Gedächtnis - ist diese Parallele bewusst oder unbewusst
gewählt?
Naja, was das Händedesinfizieren
betrifft - als ich den ersten Band schrieb, wusste die Welt noch nichts
von Corona oder einer Pandemie. Zwischenzeitlich sind wir - zumindest
vorübergehend - ja alle zu kleinen Paolo Ritters geworden [lacht]. Ich
denke schon, dass Paolo eine sehr eigene Persönlichkeit ist, Vorbilder
hatte er eigentlich keine. Sein Gedächtnis ist nicht so sehr
fotografisch, sondern hyperthymestisch, was bedeutet, dass er sich v.a.
im Umgang mit Menschen an kleinste Details erinnert sowie an deren
genauen Zeitpunkt. Der Filter, der im Langzeitgedächtnis wichtige Dinge
von weniger wichtigen Dingen trennt, fehlt bei ihm gänzlich, was im
täglichen Leben natürlich Folgen hat, weil die Vergangenheit für ihn
immer sehr präsent ist. Das macht ihn mitunter zu einem schwierigen
Zeitgenossen. Aber er arbeitet an sich - und er hat ja noch Lucia an
seiner Seite ...
Warum haben Sie ihm die Köchin Lucia
als Partnerin zur Seite gestellt? Hauptsächlich wegen der
Übersetzungsdienste, die sie ihm vor allem im ersten Fall geleistet hat,
oder für das Kulinarische - was ich übrigens sehr mag?
Lucia ist natürlich noch sehr viel mehr als eine gute Köchin und
Übersetzerin - sie ist in vieler Hinsicht sowohl Paolos Gewissen als
auch seine Verbindung zur Gegenwart. Mit ihrer jovialen, zupackenden Art
ist sie so ziemlich das genaue Gegenteil von ihm, und solche Paare zu
bilden, ist für den Erzähler natürlich immer reizvoll. Gleichzeitig
lernen die beiden aber auch voneinander und wachsen aneinander, zumal
sie ja auch das Hotel gemeinsam betreiben ... es ist wirklich eine sehr
vielschichtige Beziehung.
Und wo wir gerade beim Essen sind. Was ist Ihr Lieblingsessen?
Ich liebe - natürlich - die italiensiche Küche und speziell die der
Emilia-Romagna. Aber wenn ich tatsächlich ein Lieblingsgericht wählen
soll, dann wäre es wohl etwas ganz Einfaches wie frisches Focaccia mit
Rosmarin und ein wenig Olivenöl dazu.
Könnten Sie sich auch vorstellen, ein Kochbuch zu schreiben und wäre es dann eines für die italienische Küche?
Das wäre es wohl definitiv - aber ich glaube nicht, dass meine
Expertise dafür ausreichen würde. Vielleicht sollte ich mal Lucia
fragen. Oder Mamma Gianna ... [lacht]
Haben Sie einen einen Rückzugs- oder Lieblingsort, wo Sie z.B. Ihre Freizeit verbringen?
Tatsächlich pendle ich häufig
zwischen Deutschland und Italien und genieße das Privileg, meinen Beruf
auch dort ausüben zu können, wo man eigentlich eher Urlaub macht. Ich
mag es sehr gerne, dass das eine nicht scharf vom anderen getrennt ist.
Schreiben ist meine Leidenschaft, ich kann sie ohnehin nicht einfach
abstellen.
Welche Bücher sollten wir Ihrer Meinung nach unbedingt gelesen haben?
"Mord in Parma" natürlich - und "Tod in Rimini", wenn wir schon davon
sprechen [lacht]. Nein, Spaß beiseite - wertvolle Bücher sind für mich
jene, die eine gewisse Wahrheit beinhalten. Das klingt jetzt
pathetischer, als ich es meine, aber ein gutes Buch ist für mich eines,
das auch grundsätzliche Aussagen über das menschliche Wesen trifft. Die
Bücher von Umberto Eco beispielsweise erfüllen für mich diese Bedingung,
weshalb ich sie gerne empfehle, auch die weniger bekannten.
Zum Abschluss noch ein paar schnelle Fragen:
Kaffee oder Tee?
Kaffee. Cappuccino, um genau zu sein. Genau wie Paolo.
Wein oder Bier?
Auch hier bin ich ganz Südländer - Wein.
Pizza oder Pasta?
Pizza. Die aber dann zur Ausnahme mit Bier.
Fast Food oder Sterneküche?
Am liebsten was dazwischen - frisch zubereitetes Essen, aber gerne aus einfachen Zutaten.
Einsame Insel oder Städtetrip?
Da bin ich auf der Insel.
Berg oder Meer?
Da unterscheide ich mich vermutlich von Paolo und wähle das mare, naturalmente.
Der Schreibtisch: aufgeräumt oder chaotisch?
[lacht] Da unterscheide ich mich ganz sicher von Paolo und gestehe freimütig - eher chaotisch.
Den Beweis, dass ich die Gerichte wirklich nachgekocht habe, gibt es übrigens u.a. auf Instagram oder in meiner Rezension zu Mord in Parma ;-). Aber auch das Ragú aus Tod in Rimini ist seeehr lecker.
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