Im Rahmen der Aktion "Blogger für Homer 2024" haben Patno und ich Euch Ulrike Fuchs' biographischen Roman "Reporterin für eine bessere Welt" im Buddyread vorgestellt. Jetzt kommt meine Besprechung und im Anschluss stelle ich Euch Ulrike Fuchs im Interview noch etwas besser vor.
Aufbruch in eine neues Leben
„Es
ist mir einfach zu langweilig geworden. Ich will über die richtigen
Sachen schreiben, nicht mehr über Theatervorstellungen oder Mode.“ (S.
31)
Mai 1987: Nellie Bly hat sich in Pittsburgh einen Namen als
Investigativjournalistin des Pittsburgh Dispatch gemacht, u.a. mit einer
Reportage über Mexiko, die auch in vielen anderen Städten des Landes
erschien. Aber sie will mehr: noch brisantere Themen, noch größere
Bekanntheit. Darum zieht sie nach New York. Sie will für Joseph
Pulitzers New York World schreiben, aber sie kommt nicht mal am
Sicherheitsdienst vorbei, geschweige denn in die Redaktion.
Doch so
leicht lässt sie sich nicht entmutigen. Sie schreibt eine Reportage für
den Pittsburgh Dispatch, in der sie die Chefredakteure New Yorker
Zeitungen nach der Beschäftigung von Frauen fragt. Überall wird ihr
gesagt, dass weibliche Reporter nicht belastbar, zu ungenau und
„schlicht“ sind. Nellie ist empört: „… Frauen wird einfach nichts
zugetraut. Wir können genauso recherchieren und schreiben wie Männer.
Aber die Chefredakteure nehmen lieber Männer, selbst wenn sie schlechter
sind.“ (S. 192) Der Artikel bringt ihr zwar Erfolg, aber keinen Job.
Also startet sie einen letzten Versuch und bietet der New York World
eine Reportage an, für die sie wie die Emigranten den Atlantik von
Europa nach NY in der 3. Klasse überqueren und darüber schreiben will,
wie schlimm die Zustände auf den Schiffen sind. Die Reise wird nicht
genehmigt, stattdessen schickt man sie für 10 Tage in die
Frauen-Nervenheilanstalt auf Backwell‘s Island – aus der noch nie eine
Patientin zurückgekehrt ist …
Die Zeit im Irrenhaus wird sehr
detailliert beschrieben. Man bekommt einen guten Eindruck von den
herrschenden Zuständen. Nellies erschreckendste Erkenntnis ist, dass die
meisten Patientinnen gar nicht (geistes-)krank sind, wenn sie dort
eingewiesen werden, sondern erst durch die grausamen Misshandlungen
durch die Angestellten, Kälte, Hunger, monotone Verrichten und Verbote
dazu gemacht werden. Oft wurden sie von Ehemännern, Familie oder
Freunden einfach abgeschoben, weil man sie loswerden wollte oder nicht
mehr ernähren konnte.
Allerdings findet Nellies Aufenthalt im
Irrenhaus entgegen der durch die im Klappentext geweckten Erwartungen erst im
letzten Viertel des Buches statt. Zuvor beschreibt Ulrike Fuchs Nellies
Anfangszeit in New York (mir leider viel zu) ausführlich. Sie erzählt
von deren blauäugiger Vorstellung, dass sie einfach in die Redaktionen
einer der größten Zeitungen spazieren und einen Job bekommen würde, aber
schnell merkt, dass selbst männliche Journalisten als Kellner arbeiten
müssen, weil keiner sie einstellt. Zudem baut die Autorin eine Liebesgeschichte
mit einem Mann ein, den Nellie im Zug nach New York kennenlernt und die
zum Teil mehr Raum als Nellies Suche nach Aufträgen einnimmt.
Ihre
Darstellung von Nellie hat mir gut gefallen. Sie erscheint zwar
manchmal recht naiv, aber nicht dumm. Sie ist taff und kann andere von
sich und ihrer Meinung überzeugen. Mir erschien sie zwar zum Teil recht
modern in ihren Ansichten, aber vielleicht war sie wirklich so. Und mir
hat imponiert, wie sie sich ihre Chance auf eine Anstellung erkämpft und
ins Irrenhaus geht, obwohl sie nicht sicher sein kann, dass die Zeitung
sie da auch wirklich wieder rausholt.
Die Autorin schreibt sehr
flüssig und gibt auch einen guten Eindrucke von den Zustände der
Neuankömmlinge andere US-Staaten und europäischer Einwanderer in New
York. Sie schildert die Metropole als quirlige, im Wachsen und Aufbruch
befindliche Stadt, die völlig überlaufen und sehr modern ist. Die
Freiheitsstatue war erst im Jahr davor eröffnet worden, die Brooklyn
Bridge ist gerade 4 Jahre alt.
Liebe Ulrike,
Man findet kaum etwas über Dich im Netz. Wie kamst Du auf die Idee, eine Romanbiografie über Nellie Bly zu schreiben, war es eine Auftragsarbeit?
Der Piper-Verlag hatte mich gebeten, über Nellie zu schreiben.
Wo und wie hast Du recherchiert - warst Du evtl. sogar selbst in New York?
Ich selbst bin - etwas jünger als Nellie noch - gleich nach der Schule als au-pair nach New York gegangen.
Insofern hat die Recherche mit Ortskenntnissen noch einmal mehr Spaß gemacht. Historisch akkurat zu sein, ist mir in meinen Büchern immens wichtig.
Natürlich waren bei der Recherche meine Sprachkenntnisse von Vorteil, weil die meisten Quellen in Englisch sind.
Die USA ist mein Herzensland und meine zweite Heimat. Ich habe lange an der Westküste gewohnt. Das alles hat die Recherche natürlich einfacher gemacht.
Und warum endet Dein Roman mit der Ankündigung für Nellys Weltreise? Kommt da eventuell ein zweiter Teil?
Als Thema des Buches habe ich bewusst nicht die berühmte Weltreise gewählt, sondern die Story davor.
Ich fand es spannender zu erzählen, wie es eigentlich dazu kam, dass Nellie die berühmteste Reporterin ihrer Zeit wurde.
Einen zweiten Teil wird es daher - zumindest von mir- nicht geben, über diese Weltreise ist auch schon recht viel geschrieben worden.
Und gibt es schon neue Buchprojekte?
Mein nächster Roman erscheint im Frühjahr ebenfalls bei Piper: Ein Cafe in Budapest.
Dieser Roman spielt zur Krönung von Kaiser Franz Joseph und Sisi Mitte des 19. Jahrhunderts. Es ist eine spannende Geschichte in einer spannenden Zeit.
Ebenfalls für Piper tüftelt ich derweil an einem weiteren Projekt, das ich aber noch nicht verraten will.
Außerdem habe ich gelesen, dass Du als Übersetzerin, Drehbuchautorin und Texterin tätig bist. Was ist Dein Hauptbetätigungsfeld und wie viel Zeit investiert Du in das Schreiben Deiner Romane?
Absehbar wird es dann auch einen weiteren Mittelalterroman für mein Pseudonym Laura Bastian geben.
Ansonsten arbeite ich derzeit überwiegend noch als Übersetzerin.
Neuerdings auch im Bereich der Ahnenforschung für handschriftliche Dokumente von deutschstämmigen Amerikanern.
Auch in Deutschland können nicht mehr viele Menschen Sütterlin oder Kurrent lesen, in den USA natürlich noch weniger.
Das macht mir viel Spaß und es formierte sich schon die eine oder andere Buchidee.
Es bieten sich so viele wunderbare lohnenswerte Projekte an, es wird also nie langweilig.
Vielen Dank, meine Daumen für die Preisverleihung sind gedrückt.
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