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„Wenn Sie einem kleinen Mädchen eine Babypuppe geben, wird es sich für eine Mutter halten. Aber wenn Sie ihr solch eine Puppe geben, kann sie spielen, sie wäre eine unabhängige Frau. Vielleicht spielt sie, dass sie ins Büro geht oder zu einer Verabredung, aber sie wird ganz bestimmt nicht spielen, dass sie Windeln wechselt und einen Kinderwagen schiebt.“ (S 14)
1956 entdeckt Ruth Handler im Familienurlaub in der Schweiz die „Bild Lilli“, eine Puppe, die nach dem Vorbild des gleichnamigen Comics als Werbefigur verkauft wird. Allerdings ist Lilli nicht für Kinder gedacht, dazu ist sie viel zu sexy. Doch Ruth, der zusammen mit ihrem Mann Elliot und einem Geschäftspartner die Spielzeugfirma Mattel gehört, sieht sofort das Potential, das in einer erwachsenen Puppe steckt. Leider steht sie damit allein, denn auch die Ingenieuren von Mattel sagen, dass Lilli wie eine Sexpuppe aussieht. Ruth, die sich bisher nur um Marketing und Verkauf gekümmert hat, kämpft diesmal gegen alle Widerstände und Rückschläge, bis es ihr zusammen mit Chefentwickler Jack Ryan und der Modedesignerin Stevie Klein gelingt, Barbie herzustellen und auf den Markt zu bringen.
Ich hatte als Kind keine Barbie, da es die in der DDR nicht gab, und habe den Hype um die Puppe und das Zubehör ehrlich gesagt auch später bei meinen Nichten nie verstanden. Mir ging es da wie den Barbie-Gegner in Reneé Rosens Buch: Ich fand sie zu dünn und unnatürlich, kein gutes Vorbild für kleine Mädchen. Alles drehte sich ums perfekte Aussehen bzw. das perfekte Leben. Dass Barbie die Mädchen zum Träumen anregen sollte, was sie später alles werden und machen können, kam bei meinen Nichten (und mir) nicht an.
Und obwohl ich bis heute kein Fan der Puppe bin und ihre Geschichte schon aus mehreren Podcasts kannte, hat mich der Roman überrascht. Zum einen wartet Reneé Rosen mit vielen neuen Fakten auf, von denen ich noch nicht gehört hatte, zum anderen wirkt er fast so spannend wie einen Krimi, weil sie ihn aus drei verschiedenen Blickwinkeln erzählt.
Da ist als erstes Ruth, die bei ihrer ältesten Schwester aufwuchs, weil ihre Mutter nicht noch ein 10. Kind aufziehen wollte. Ihre Schwester hat ihr zwar gezeigt, wie man erfolgreich ein Geschäft führt, war ihr aber keine liebevolle Mutter. Auch Ruth steckt jede freie Sekunde in Barbie, während sich ihr Mann (neben der Arbeit) um die Kinder kümmert.
Jack, der geniale Chefingenieur, hat früher Raketen gebaut. Er ist hypersexuell, manisch-depressiv und Legastheniker. Letzteres kann er dank seiner Sekretärin vor den anderen verbergen. Aber er braucht ständige Abwechslung und Ablenkung von seinem Gedankenkarussell. Die findet er beim Tüfteln, Fremdgehen und später bei seinen legendären Partys, die wahrscheinlich selbst Hugh Heffner vor Neid erblassen lassen würden.
Stevie, die junge Designerin, wollte eigentlich „richtige“ Haute Couture entwerfen. Sie muss erst lernen, dass man Mode nicht einfach kleiner machen kann, weil Barbies Maße keiner normalen Frau entsprechen. Sie hadert lange mit ihrer Situation, obwohl sie viel besser verdient als ihre KommilitonInnen, machen die sich über „die Puppe“ lustig. Zudem ist sie selber nicht mit dem Bild einverstanden, das Barbie verkörpert.
Reneé Rosen hört nicht mit Barbies schwieriger „Geburt“ auf, sondern erzählt, wie es danach weitergeht, welche Rückschläge Ruth und ihr Team hinnehmen müssen, welche Erfolge und Höhenflüge sie erreichen, wie aus der kleinen Spielzeugfirma eine Aktiengesellschaft und Ruth am Ende aus ihrer eigenen Firma geworfen wird. Aber wie es dazu kam, lest ihr am besten selbst. Das war alles wahnsinnig spannend, aber im letzten Drittel verliert sich die Handlung in den Umwälzungen und Unternehmensstrukturen und es wurde mir zu unübersichtlich und ausufernd.
Ruth hat mir imponiert. Sie sprühte vor Ideen und hatte ein gutes Gespür für Trends und Mode, war die geborene Verkäuferin und wusste, wem sie was zutrauen konnte. In einer reinen Männerwelt setzte sie sich gegen alles und jeden durch, auch gegen den Willen ihres Mannes, und ging ihren Weg. Ohne sie wäre Mattel nie so groß geworden.
Ein sehr interessantes Buch über eine beeindruckende und umstrittene Frau.
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