Wir haben „Stromlinien“ beendet, sind gedanklich immer noch in der Geschichte gefangen. Was für ein Showdown…
Patno: Ich kann es immer noch nicht fassen. Die zweite Hälfte des Romans habe ich förmlich inhaliert. Die Ereignisse überschlagen sich. Spannender als ein Krimi. Mit jeder gelesenen Seite kommt mehr Licht ins Dunkel. Wie kann man sich nur so eine vertrackte Geschichte ausdenken. Gelegentlich hat mich der Roman an den Gesang der Flusskrebse erinnert. Wie ist es Dir beim Lesen ergangen?
Hasi: Ich kenne "Den Gesang der Flusskrebse" leider nicht, darum fehlt mir der Vergleich. Aber wie Du schon sagst, während die Handlung zu Beginn genau wie die Elbe etwas mäandert, kommt man ab der Mitte kaum noch zum Luftholen. Dazu tragen vor allem die vielen Geheimnisse bei, die endlich aufgelöst werden und wie die einzelnen Erzählstränge zusammenfinden. Einfach Wahnsinn. Übrigens weiß ich jetzt auch, welche realen Hintergründe Rebekka Frank eingebunden hat - zu dem von 1978 kommt ja noch der von 1984. Irre.
Patno: Ich habe beim Lesen die Ereignisse von 12. Dezember 1978 gegoogelt und einige Artikel zu dem Vorfall gelesen. Wieder was gelernt. Diese Tragödie hat Alea schwer getroffen. Ich kann verstehen, dass ihr in diesem einen Moment die Sicherungen durchgebrannt sind. Dass jedoch ihr Handeln so fatale Folgen hatte, ist furchtbar. Ein kleiner Augenblick, der ein ganzes Leben zerstört. Immer wieder ist es die Verkettung unglücklicher Umstände, die die Protagonisten anders handeln lässt. Stimmt schon nachdenklich, oder?
Hasi: Das hat mich auch zum Grübeln gebracht. Vor allem hätte ihre Strafe ja gar nicht so schlimm ausfallen müssen, wenn sie sich anders verhalten und ausgesagt hätte. Aber sie will ja hart bestraft werden, das habe ich ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehen können.
Mir hat aber auch der umweltpolitische Aspekt gefallen, der sich wie ein roter Faden durch die Handlung zieht. Schon in den 1980er Jahren kämpft Alea gegen den Ausbau der Fahrrinne für die Containerschiffe auf, weil damit die Pflanzen- und Tierwelt zer-/gestört wird, und später dann unabhängig von ihr auch Enna und Jale. Weil sie in und mit der Natur leben - ein wunderschönes Bild übrigens, wie sie immer versuchen, mit ihrem Boot so wenig wie möglich zu stören.
Patno: Ich konnte schon nachvollziehen, dass Alea so hart bestraft werden wollte. Sie konnte sich selbst ihren Fehler nicht verzeihen und war der Meinung, ein Leben lang dafür büßen zu müssen. Es muss ein schreckliches Gefühl sein. Ich habe schon sehr mit ihr gefühlt. Die Autorin hat einige interessante Wendungen in ihre Geschichte eingebaut und ich es ist mir erst ganz am Ende gelungen, alle Puzzleteile ineinander zu fügen. Der Roman hat mich tief bewegt und klingt lange nach. Für mich eines meiner Lese-Highlights in 2025.
Hasi: Ja, ein Highlight ist dieses außergewöhnliche Buch auf jeden Fall.
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