Kein gemütlicher Weihnachtskrimi
„Wenn Sie sich nicht gerade dämlich anstellen, sind Sie ein durchaus fähiger Polizist.“ (S. 19)
Leider neigt Inspector Frank Grasby bei Ermittlungen zu unüberlegten Aktionen, darum wird er im Dezember 1952 von York nach Elderby in den North York Moors strafversetzt. Dort hat es zahlreiche Diebstähle auf den Farmen von Lord Damnish gegeben. Grasby soll die Polizei vor Ort unterstützen – je eher er die Schuldigen erwischt, desto eher kann er zurückkommen.
Sergant Bleakly, der Leiter des örtlichen Reviers, ist genauso verschlafen wie das Dörfchen. Grasbys einziger Lichtblick ist die hübsche Praktikantin Miss Daisy Daen, genannt Deedee. Sie stammt aus New York und studiert in Yale Kriminologie. Grasby ist mit fast 40 immer noch Junggeselle und sehr von ihr angetan, aber sie hält ihn auf Abstand.
Weil bei ihrem Antrittsbesuch bei Lord Damnish dessen Kamin extrem qualmt, will Grasby helfen. Dabei zieht er eine Leiche aus dem Schacht, die angeblich niemand kennt. Und schon am nächsten Morgen gibt es den nächsten Toten. Hinter der Kirche wird der im Ort ansässige amerikanische Journalist Chuck Starr gefunden. Doch noch bevor Gasby mit den Nachforschungen beginnen kann, mischt sich sein Chef mit einen außergewöhnlichen Anliegen ein.
„Der Tote im Kamin“ ist ein sehr ungewöhnlicher und herrlich skurriler Krimi, der (Achtung Spoiler!) immer mehr zum Agententhriller wird. Der 2. WK ist noch nicht lange vorbei, die Lebensmittel sind noch rationiert und der Kalte Krieg ist in vollem Gang. Alle Fremden im Ort werden misstrauisch beäugt, aber auch Lord Damnish hat sich Feinde gemacht. Er hat seinen Titel nämlich nicht geerbt, sondern dem alten Lord zusammen mit dem Besitz und dessen Tochter abgekauft.
Der Fall beginnt relativ gemütlich, wird immer undurchsichtiger und zieht immer größere Kreise. Irgendwann überschlägt sich die Handlung förmlich, es gibt ständig neue Beteiligte, Motive und Indizien. Es wird für Grasby (und auch für mich) sehr unübersichtlich, weil man bald nicht mehr weiß, wer hier alles ein falsches Spiel spielt. Kaum jemand ist der, der er vorzugeben zu sein scheint.
„Frank Grasby ist ein geborener Schriftsteller, der unterhaltsam zu erzählen vermag. Nur hie und da neigt er zu Abschweifungen …“ (S. 8) schreibt Denzil Meyrick, der hier als übergeordneter Erzähler des Ich-Erzählers Frank auftritt, und hat Recht. Er lässt Grasby selbst berichten, was der erlebt und denkt, wie er ab und an oft unfreiwillig komisch ist und in welche Fettnäpfchen er tappt. Er ist ein ziemlich verschrobener Charakter, muss sich neben den Ermittlungsproblemen auch mit einer unheimlichen Wirtin und deren gruseligen Voraussagungen beschäftigen und einem allmächtigen, stets unzufrieden nörgelndem Vater rumschlagen.
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