ISBN : 9783463406954
Fester Einband : 416 Seiten
Verlag : ROWOHLT Kindler
Erscheinungsdatum : 23.10.2018
Genre : Roman
Werbung (gemäß §2 Nr.5 TMG)
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Leseexemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Leseexemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Was ist damals wirklich passiert?
West-Berlin,
Oktober 1989: Erika zur Linde ist Französischlehrerin, Mitte 40 und geschieden.
Außer in ihrer Schule hat sie kaum soziale Kontakte, nur ihren Vater Ulrich
besucht sie alle 4 Wochen zum Sonntagsessen. Der wurde in den 50er Jahren mit
einem Kriegsroman berühmt, hatte sich kurz darauf aber aus der Öffentlichkeit
zurückgezogen. Jetzt hat er sich an seinem Schreibtisch erschossen, kurz
nachdem er einen Brief aus Amerika bekam. Ein gewisser Paul Singer fragt darin
nach seinem Onkel Felix Auerbach, einem Juden, mit dem Ulrich und seine Frau Sophie
(Erikas Mutter) während des 2. WKs befreundet waren und nach dessen Manuskript.
Erika ist wie vor den Kopf gestoßen, über den Krieg oder gar Felix haben ihre
Eltern nie geredet. Ihre Mutter starb, als sie 15 war. Auf der Suche nach
weiteren Hinweisen findet sie deren Tagebuch und taucht in die Vergangenheit
ihrer Familie ab.
Nicolas
Remin erzählt auf 2 Zeitebenen Sophies Geschichte und Erikas Suche nach der
Wahrheit.
Sophie
heiratet 1939 nach nur wenigen Monaten den älteren Ulrich zur Linde, weil er in
der Wehrmachts-Uniform gut aussieht und sie unbedingt Journalistin für eine
Frauenzeitschrift werden will, was ihre Eltern ihr verboten haben. Ulrich ist
sehr in sie verliebt und erlaubt ihr alles, überhäuft sie mit Geschenken.
Allerdings wird ihr schnell klar, dass sie ihn nicht liebt. Sie ist extrem naiv
und unpolitisch, tritt nur in die NSDAP ein, um bei Journalistin bleiben zu
können und weil sie – wie so viele andere Frauen auch – Hitler anhimmelt.
Ulrichs
bester Freund Felix Auerbach ist Jude, aber das spielt für sie keine Rolle.
Felix sieht zu gut aus – groß, schlank, blond, wie ein echter Arier. Auch er
bewundert Hitler, ist t traurig, dass er nicht wieder an der Front kämpfen
darf, wie im ersten WK. Als Ulrich in den Krieg zieht, kümmert sich Sophie um
Felix, dessen geplante Emigration immer wieder scheitert. Bald müssen sie ihn
verstecken, sein Aussehen hilft ihm dabei. Sophie und er verbringen viel Zeit
miteinander ...
Ich fand
es schade, dass Nicolas Remin einen so nüchternen Schreibstil gewählt hat, dadurch
sind mir Erika, Sophie und auch die anderen Protagonisten fremd geblieben.
Obwohl sie viel Schlimmes erleben, bleibt man beim Lesen seltsam distanziert.
Sophie
scheint eine verwöhnte Göre gewesen zu sein. Die „ehelichen Pflichten“ erträgt
sie nur mit Alkohol. Glücklich ist sie nur, wenn Ulrich einen neuen Orden
bekommt und in der Hierarchie der Wehrmacht aufsteigt oder Pakete aus
Frankreich schickt, wo er stationiert ist. Erika hat sie immer als ziemlich
kühle Frau bzw. Mutter empfunden und ist genau so geworden. Doch nach dem Tod
ihres Vaters blüht Erika in kürzester Zeit plötzlich auf. Sie macht eine 180
Grad-Wendung, ändert ihren Kleidungsstil, ihre Frisur, trägt auf einmal Makeup.
Aus dem unscheinbaren Mauerblümchen wird ein heißer Feger. Diese Wandlung fand
ich zu extrem, ihre Gründe dafür bleiben nebulös. Zudem lebt Erika in
West-Berlin und interessiert sich kaum dafür, was gerade auf der anderen Seite
der Mauer passiert. Als diese dann fällt, stört sie sich am Geruch der Trabbis,
dass die vielen Menschen aus dem Osten h in Berlin „einfallen“ und die Straßen
verstopfen. Was das politisch bedeutet, scheint ihr egal zu sein.
Am
meisten irritiert aber war ich von Felix. Gab es wirklich Juden, die zu 100
Prozent hinter Hitler standen und dachten, dass nach dem Endsieg alles wieder
gut wird, dass die KZs nur Lügen sind? Oder hat Felix sich das nur eingeredet,
weil er es glauben wollte? Auch das wird leider nicht wirklich aufgelöst.
Abgesehen
von den o.g. Kritikpunkten, hat mir das Buch gut gefallen. Ich fand es
faszinierend, wie sich die verschiedenen Menschen in der Nazizeit verhalten und
wie viele dabei geholfen haben, Felix zu verstecken oder ihm wieder neue
Identitäten zu beschaffen. Der Zusammenhalt und die Freundschaft zwischen
Felix, Ulrich und Sophie waren sehr beeindruckend.
Auch
Erikas fast schon manische Suche nach der Wahrheit, das Verdrängen wollen oder
Zurechtbiegen, ihre Ängste vor den eigenen Erinnerungen und ihre
Gewissenskonflikte waren authentisch.
Mein
Fazit: Ein weiteres wichtiges Buch #gegendasvergessen
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