Donnerstag, 17. Juli 2025

Das West-Traumschiff unter Ost-Flagge

 


 
 
 
ISBN : 9783463000701
Gebundenes Buch 304 Seiten
Verlag : ROWOHLT Kindler
Erscheinungsdatum : 15.07.2025
Genre : Roman 
Werbung (gemäß §2 Nr.5 TMG)  
 
 
 
 
 
 
 

Das West-Traumschiff unter Ost-Flagge

 

Auf den Messern, Gabeln und Löffeln der Arkona prangte immer noch der Schriftzug Astor – so hatte das Schiff geheißen, als es noch unter Westflagge gefahren war.“ (S. 23)

Für Ronni geht ein Traum in Erfüllung, als er 1988 als Restaurantstewart auf der MS Arkona anheuert, dem Kreuzfahrtschiff der DDR. Obwohl er aus Dresden stammt, hat er immer von der Seefahrt geträumt. Dank harter Arbeit und Beziehungen (sein Onkel Alex ist ein hohes Tier in der Partei) wird dieser Traum Realität.

Bereits auf seiner dritte Fahrt geht es nach Skandinavien. Die DDR verchartert das Schiff samt Besatzung regelmäßig an die TUI, um dringend benötigte Devisen zu erwirtschaften. Die Arkona ist im Westen äußerst beliebt, da sie früher unter dem Namen Astor als Originalschauplatz für die beliebte ZDF-Serie „Das Traumschiff“ diente.

An Bord lernt Ronni die Frankfurter Jurastudentin Sabine kennen. „Sie fiel auf durch ihre Bescheidenheit und Unangepasstheit, dass imponierte ihm.“ (S. 33) – und weil sie im Gegensatz zu den anderen Gästen fast ausschließlich Schwarz trägt. Sie reist in Begleitung ihrer Tante Hilde, die schnell erkennt, dass sich zwischen den beiden jungen Menschen etwas entwickelt. Doch eine Beziehung zwischen Ost und West ist offiziell verboten – und die Stasi hat auch auf See ihre Spitzel.

 

Ralf Günther hat den Titel für seinen Roman perfekt gewählt, denn grenzenlos erscheinen Ronni und Sabine die 10 Sommertage auf See wirklich. Sie sind jung und verliebt, aber ihnen ist auch klar, dass sie nie mehr als diese eine gemeinsame Fahrt haben werden. Also nutzen sie jede kostbare Minute. „Es gibt nicht viele Orte auf diesem Schiff, wo man einigermaßen unbeobachtet sein kann.“ „Dann teilen wir eine Vorliebe. Ich bin auch gern allein. Und unbeobachtet.“ (S. 50) Doch das bleibt nicht unbemerkt. Ronnis Brigadeleiter meldet die sich anbahnende Beziehung dem Politoffizier. Trotz seines Schutzes durch Onkel Alex gerät Ronni unter Druck: Er soll Sabine, und vor allem Tante Hilde, aushorchen, deren Vergangenheit für die DDR von besonderem Interesse ist.

 

Bis zu dieser Begegnung hat Ronni die DDR nie infrage gestellt. Doch die Begegnung mit Sabine eröffnet ihm einen neuen Blick auf die Realität, und ihre vorsichtige, stille Annäherung verändert seine Perspektive. Im Bordkino zeigt er ihr heimlich „Die Legende von Paul und Paula“, damit sie ein Gefühl für seine Welt bekommt. Zwischen ihnen entspinnt sich eine zarte, glaubwürdige Liebesgeschichte, gefördert von der lebenserfahrenen Hilde. Sie fungiert als Vermittlerin zwischen den beiden Welten und macht Sabine deutlich, wie gefährlich die Situation für Ronni werden kann. Aber sie will auch, dass diese Liebe eine echte Chance hat – trotz der wachsamen Augen der Stasi.

 

Sabine und Ronni machen in der kurzen Zeit eine spürbare Entwicklung durch, aber mein heimlicher Star ist Hilde mit ihren bunten Flattergewändern, ihrer forschen Art und ihrer Lebenderfahrung. Auch Ronnis Onkel ist eine faszinierende Figur. Erst spät habe ich erkannt, wen Ralf Günther mit ihm meint – dabei waren die Hinweise für ein Kind der DDR eigentlich unübersehbar.

Die historischen Hintergründe, von der Devisenbeschaffung über politische Strukturen bis hin zur subtilen Überwachung durch die Stasi, sind klug in die Handlung verwoben und geben dem Roman Tiefe und Authentizität.

 

Fazit: Eine berührende Liebesgeschichte vor dem eindrucksvoll geschilderten Hintergrund eines geteilten Landes. Sie verbindet persönliche Schicksale mit politischer Realität – sensibel, spannend und voller Atmosphäre.


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